Palladio
hat etwa 60 Villen im weiten Umkreis von Vicenca gebaut, von denen die
sogenannte "La Rotonda", wie sie heute genannt wird, die berühmteste
ist. Der Bauherr war Paolo Almerico, dessen Familie in diesem Gebiet größere
Besitzungen hatte. Nach dessen Tod wurde die Villa 1591 an Odorico Capra
verkauft. Palladio begann 1566 mit den Entwürfen und hat den Bau bis 1569 im
wesentlichen fertiggestellt. Nach seinem Tod vollendete V. Scamozzi (1552-1616)
diesen und auch andere Bauten Palladios (z.B. "Teatro Olimpico").
In
seinen "Quattro libri" geht Palladio auf diese Villa näher ein:
"Zu den zahlreichen ehrenwerten vicentinischen Edelleuten zählt auch
Monsignor Paolo Almerico, ein Kleriker, der als Referendario zwei Päpsten, nämlich
Pius IV. und V. gedient hatte und der für seine wertvollen Verdienste mitsamt
seiner Familie zum römischen Bürger ernannt wurde. Dieser Mann, der nach Ruhm
strebend, viele Jahre hindurch gereist war, kam, nachdem schließlich seine
ganze Familie gestorben war, in seine Heimatstadt zurück. Er zog zu seiner
Erholung auf einen Hügel aus seinem Besitz in der Vorstadt, der vom Zentrum
weniger als vier Meilen entfernt war und auf dem er, nach dem hier folgenden
Entwurf, ein Gebäude errichten ließ. Dessen Zeichnung erschien mir wegen der Nähe
zur Stadt nicht geeignet, sie unter die Villen zu reihen, könnte man doch sogar
sagen, sie läge in der Stadt selbst. Die Lage gehört zu den anmutigsten und
erfreulichsten, die man finden kann. Das Haus liegt auf einem leicht zu
besteigenden Hügel, der auf der einen Seite vom Bacchiglione, einem schiffbaren
Fluss, begrenzt wird und auf der anderen Seite von weiteren lieblichen Hügeln
umgeben ist, die wie ein großes Theater wirken und alle bestellt werden,
reichlich Früchte sowie ausgezeichnete und gute Weinreben tragen. Da man von
jeder Seite wunderschöne Ausblicke genießt, worunter einige die nahe Umgebung
erfassen, andere wiederum weiter reichen und wieder andere erst am Horizont
enden, so hat man an allen vier Seiten Loggien errichtet, unter denen, wie auch
unter dem Hauptsaal, die Räume für den Gebrauch und die Bequemlichkeit des
Gesindes liegen. Der Hauptsaal liegt in der Mitte, ist rund und erhält sein
Licht von oben. Die Kammern sind Halbgeschosse. Über den großen Räumen, deren
Gewölbe so hoch wie nach der ersten Art der Einwölbung sind (arithmetisches
Mittel; d.Verf.) und die um den Hauptsaal herumliegen, findet sich ein Umgang
von fünfzehneinhalb Fuß Breite. An den äußeren Enden der Postamente, die die
Treppen der Loggien stützen, sind Marmorstatuen von der Hand des Bildhauers
Lorenzo Vicentino aufgestellt." (Buch II, Kap.3).
Das Stadtleben begann in Italien schon früh; vielleicht lässt sich daraus die Vorliebe für Landsitze erklären, die es schon in der Antike gab, wie die Briefe des Plinius (um 100 n.Chr.) zeigen, der darin zwei seiner Villen beschreibt. Die kaiserlichen Villen, wie die Villa Hadrians in der Nähe von Tivoli, waren den Aufzeichnungen nach von Luxus umgeben. Im wesentlichen kannten die Römer jedoch zwei Arten von Villen:
-
die Villa rustica, einen bewirtschafteten Landsitz, und
-
die Villa suburbana, eine kleine, aber meist prachtvolle Villa in Stadtnähe, in
der man die Ruhe und Kühle des Landes genoss.
Zur
Zeit Palladios entstanden in der Umgebung Venedigs die schönsten Villen. Sie
wurden meist als Landsitze mit Bewirtschaftung für die großen venezianischen
Familien entworfen, die in Venetien herrenloses Land kultivierten und sich
gleichzeitig einen angenehmen Sommersitz verschafften.
Palladio
liefert in den "Quattro libri" die idealtypische Beschreibung einer
Villa suburbana, wie sie sich bereits bei L.B.Alberti findet, der sich
seinerseits auf Plinius bezieht. Nicht nur die Lage, sondern auch die räumliche
Gliederung und der Grundriss entspricht den Vorstellungen Albertis: "Wenn
Alberti fordert, dass eine so gelegene Villa nach allen Seiten licht und geöffnet
sein soll, so hat Palladio damit Ernst gemacht, indem er seiner Villa Loggien an
allen vier Seiten gegeben hat, und zwar ausdrücklich, damit man von jeder Seite
die schönsten Ausblicke genießen kann. Auch vom Grundriss entspricht die
Rotonda in etwa Albertis Vorschriften:
Dank
des kreisrunden Saales, der von einem einfachen Kreuz rechteckiger Räume
umgeben ist, wechselt man ständig zwischen beiden Raumformen. Auch das Gefühl,
dass die Räume abwechselnd zum Verweilen und zum Durchschreiten auffordern, drängt
sich dem Besucher auf, der sich von einer der Loggien nach innen oder vom
Zentralraum nach außen wendet." (Forssman).
Goethe
besuchte während seiner Italienreise am 22.September 1786 die Villa Rotonda und
bewunderte sie, weil sie den "allseitig harmonisch gebildeten Menschen
spiegelt":
"Heute
besuchte ich das eine halbe Stunde von der Stadt auf einer angenehmen Höhe
liegende Prachthaus, die Rotonda genannt. Es ist ein viereckiges Gebäude, das
einen runden, von oben erleuchteten Saal in sich schließt. Von allen vier
Seiten steigt man auf breiten Treppen hinan, und gelangt jedes Mal in eine
Vorhalle, die von sechs korinthischen Säulen gebildet wird. Vielleicht hat die
Baukunst ihren Luxus niemals höher getrieben. Der Raum, den die Treppen und
Vorhallen einnehmen, ist viel größer als der des Hauses selbst; denn jede
einzelne Seite würde als Ansicht eines Tempels befriedigen. Inwendig kann man
es wohnbar, aber nicht wohnlich nennen. Der Saal ist von der schönsten
Proportion, die Zimmer auch: Aber zu den Bedürfnissen eines Sommeraufenthaltes
einer vornehmen Familie würden sie kaum hinreichen. Dafür sieht man es auch in
der ganzen Gegend von allen Seiten sich aufs Herrlichste darstellen. Die
Mannigfaltigkeit ist groß, in der sich seine Hauptmasse zugleich mit den
vorspringenden Säulen vor dem Auge der Umherwandelnden bewegt, und die Absicht
des Besitzers ist vollkommen erreicht, der ein großes Fideikommissgut (unveräußerliches
und unteilbares Stammgut; d.Verf.) und zugleich ein sinnliches Denkmal seines
Vermögens hinterlassen wollte. Und wie nun das Gebäude von allen Punkten der
Gegend in seiner Herrlichkeit gesehen wird, so ist die Aussicht von daher
gleichfalls die angenehmste."
Goethes
Kritik an der Bewohnbarkeit des Hauses ist insofern verwunderlich, da einige
Jahrzehnte zuvor das vormals ungegliederte zweite Stockwerk, das Palladio wenig
überzeugend als zum Spazieren gehen geeignet beschrieb, in kleinere Räume
unterteilt und damit bewohnbar gemacht wurde. Merkwürdig ist auch seine
Klassifizierung der ionischen als korinthische Säulen.
GRUNDRISSGLIEDERUNG
Der
Zugang zur Villa erfolgte von Nordwest, von wo auch heute der Hauptzugang ist.
An diesem Zugang liegt ein Gebäude, das 1620 von Vicenzo Scamozzi errichtet
wurde. Wahrscheinlich gab es früher noch einen zweiten Eingang von Nordost,
also von jener Seite, wo noch heute eine Straße am Hügel vorbeiführt und wo
der von Palladio beschriebene Fluss liegt.
Der
Grundriss ist quadratisch und weist je einen Portikus mit vorgelagerter
Freitreppe an den vier Seiten des Gebäudes auf. Im Untergeschoss, unter dem
Niveau des Portikus und des Saales, liegen Nebenräume, Küche und Zimmer für
das Personal. Das Erdgeschoss ist achsensymmetrisch angelegt mit dem kreisrunden
Saal in der Mitte. Die Verbindungsgänge zwischen Saal und den vier Vorhallen
(Loggien) teilen den Grundriss in vier Teile. Jeder Teil besteht aus einem größeren
und einem kleineren Raum. Der größere ist von zwei Seiten belichtet und kann
durch einen Kamin beheizt werden, der kleinere ist nur von einer Seite belichtet
und ohne Heizungsquelle, zudem niedriger als der größere Raum. Das
Obergeschoss war ursprünglich nicht unterteilt. Palladio bezeichnet es als
einen "Ort zum Spazieren gehen mit einer Breite von 15 1/2 Fuß".
Entsprechend
den Vorstellungen der Zeit und der Nutzung sind die Geschosse nur durch relativ
schmale Wendeltreppen miteinander verbunden, die in den Zwickeln des Quadrats
liegen, in das der kreisrunde Saal einbeschrieben ist.
RAUM
UND FORM
Die
äußere Form wird bestimmt durch die dem quaderförmigen Baukörper an allen
vier Seiten vorgelegten Portiken. Das Gebälk über den ionischen Stützen der
Portiken wird als Gesims um den Baukörper geführt und verbindet die Teile zu
einem Ganzen. Es markiert nach außen die Höhe der Decke über den Haupträumen
im Inneren und ebenso die Galerie im Zentralraum. Wie die Höhe der Decke wird
auch die Höhe des Fußbodens des Hauptgeschosses durch ein umlaufendes Gesims
markiert, das den oberen Abschluss des unten abgetreppten Sockels angibt. Das
pyramidenförmige Dach, aus dem die flache, leicht abgetreppte Kuppel
herausragt, sitzt mit einem sehr knapp ausgebildeten Gesims auf dem Baukörper
auf.
Der
Wandaufbau ist in drei Teile gegliedert, in Sockel, Hauptgeschoss und
Obergeschoss. Die Fenster im Hauptgeschoss sind durch Giebelfeld, Voluten und
umlaufende Rahmung hervorgehoben und sitzen auf einem Sockel auf; die Fenster im
Ober- und Untergeschoss sind dagegen als in die Wand geschnittene Löcher
ausgebildet.
Von
den breitgelagerten Portiken führen in Achsen des Gebäudes schmale Gänge in
den runden Zentralraum, der durch eine Galerie in der Höhe gegliedert und mit
einer Kuppel überdeckt ist. Die Belichtung erfolgt durch ein in der Kuppelmitte
angeordnetes Oberlicht.
Von
den rechteckigen Räumen, die den runden Kuppelsaal umgeben, sind jeweils zwei
zu einer Einheit zusammengefasst, ein kleiner und ein größerer Raum. Die
Erschließung erfolgt jeweils von dem Verbindungsgang zwischen Portikus und
Kuppelsaal, aber nicht vom Kuppelsaal selbst. Die Belichtung des größeren
Raumes erfolgt von zwei Seiten, wobei jeweils ein Fenster in der Achse der
Erschließung des Raumes liegt. Die Höhe folgt dem "Hauptmaß", sie
ist also gleich der Höhe des Hauptgeschosses, während der kleinere Raum
halbgeschossig ausgebildet ist. Über ihm liegt ein weiterer Raum von gleichen
Abmessungen. Die Decken über diesen Räumen sind in Form von Spiegelgewölben
ausgeführt.
Die
Fresken an den Wänden und Decken sowie die Stuckarbeiten wurden noch zu
Lebzeiten von Almerico begonnen, ihre Ausführung erstreckt sich bis in die
erste Hälfte des 17.Jahrhunderts. Teile davon, wie die Fresken der Gänge zum
Kuppelsaal und der Wände des Kuppelsaals (nicht jedoch die Ausmalung der
Kuppel), sind erst Ende des 17.Jahrhunderts entstanden.
KONSTRUKTION
Die
Villa ist von ihrer Struktur her ein Massivbau mit tragenden Wänden. Das
Untergeschoss ist mit Gewölben überdeckt, die Decken über den rechteckigen Räumen
im Erdgeschoss werden wahrscheinlich von Holzbalken getragen mit untergehängten
Spiegelgewölben. Die Kuppel über dem kreisrunden Saal ist wahrscheinlich
massiv.
INTERPRETATION
Die
Beschreibung der Villa Rotonda zeigt, welche Bedeutung Palladio der Lage des
Ortes als Ausgangspunkt des Entwurfs zumisst. Nur von daher ist die Anordnung
und Ausbildung des Baukörpers mit Loggien an den vier Seiten des Gebäudes zu
verstehen.
Dass
dieses Prinzip auch bei anderen Bauten festzustellen ist, zeigt ein Vergleich
der Villa Rotonda mit der Villa Barbaro in Maser. Im Unterschied zur Rotonda ist
die Villa Barbaro ein langgestreckter Baukörper, in der Mitte durch einen
hervortretenden Baukörper, an den beiden Enden durch aufgesetzte Giebelfelder
betont. Der Baukörper ist bewusst als Abschluss des davor liegenden flachen
Terrains ausgebildet. Diese Funktion als Raumbegrenzung wird durch die hinter
dem Gebäude angeordnete und das Gebäude überragende Bepflanzung mit hohen Bäumen
unterstrichen. Die betonte Mitte des Gebäudes findet ihre Entsprechung in dem
Zugangsweg zur Villa, der sich außerhalb des Parkes in einer Baumallee
fortsetzt, die weit in das Land hinausführt.
So
sehr die Anlage der Rotonda auf den Ort bezogen ist, also auf das Besondere und
Einmalige, so sehr zeigt die Ausbildung im Inneren nicht die besondere, sondern
die typische Lösung. Wittkower hat nachgewiesen, dass sich die Grundrisse der
Villen Palladios in der Anordnung der Räume auf einen gemeinsamen
"geometrischen Schlüssel" zurückführen lassen, das Haus also als
Abwandlung eines Typus im Hinblick auf die Besonderheiten des Ortes gesehen
werden muss.
Die
Abflachung und Erstarrung in der Nachfolge Palladios liegt wohl auch darin begründet,
dass man später nur das eine gesehen hat, den Typus, und darüber das andere
vergessen hat, die Anpassung an die Gegebenheiten des Ortes.
Dass
Palladio seine Bauten immer in Bezug zum Kontext gesehen hat, zeigt auch die
Feststellung, die sich in ähnlicher Form schon bei Alberti findet, dass also
"die Stadt nichts anderes ist als gewissermaßen ein großes Haus und daß
zum anderen das Haus eine kleine Stadt" sei. Obwohl der Grundriß der
Rotonda achsensymmetrisch angelegt ist, zeigt die Raumordnung und Raumfolge
Differenzierung im einzelnen. In Analogie zur Stadt enthält sie Räume, deren
Charakter eher "öffentlich" ist, und sie enthält Räume, deren
Charakter eher "privat" ist; sie enthält Räume, die zum Verweilen
auffordern, und Räume, die zum Durchschreiten auffordern; sie enthält
"Straßen" und sie enthält "Plätze".
Um
von außen nach innen zu gelangen, durchschreitet man eine Abfolge
unterschiedlicher Raumarten. Der Weg führt über die Freitreppe durch das außen
und innen verbindende Raumgitter der Säulen in die Vorhalle. Diese Vorhalle ist
gegenüber dem anschließenden Gang weit und nach vorn offen. Der anschließende
Gang hat zwar die gleiche Höhe wie die Vorhalle, ist aber eng und begrenzt. Von
diesem engen Gang kommt man in den weiten und hohen Kuppelraum. Der schmale Gang
verbindet mit Vorhalle und Kuppelraum zwei große, aber völlig unterschiedliche
Räume, einen extrovertierten und einen introvertierten Raum. In der Anlage der
Loggien zeigt sich das Prinzip des räumlichen Übergangselements als Verbindung
von innen und außen.
Im
Gegensatz zur Rotunde haben die umliegenden Räume eher "privaten"
Charakter. Diese Räume werden von den Gängen, nicht aber von der Rotunde aus
erschlossen.
Bei
der Ausbildung der Loggia als Portikus mit Säulen und Dreiecksgiebeln beruft
sich Palladio darauf, dass früher Wohnhäuser einen solchen Portikus besessen hätten,
und dass diese Form von daher auf Tempelbauten übertragen worden wäre. Tatsächlich
konnte jedoch bisher kein antikes Wohnhaus mit Portikus nachgewiesen werden.
Stichhaltiger dürfte die von ihm vorgebrachte Begründung sein, dass dadurch
der Eingang des Gebäudes betont werden sollte und der Portikus viel zur
Vornehmheit der Villa beitrage.
Palladios
Bauherren gehörten wie Paolo Almerico zum Adel oder zum venezianischen Großbürgertum,
sie waren vielseitig und klassisch gebildete Menschen, die das Ideal eines
humanistisch geprägten Lebens auf dem Lande zu verwirklichten suchten. Ihre
Bauten waren über den unmittelbaren Anlass hinaus, der Bewirtschaftung des
Landes zu dienen, Ausdruck eines völlig neuen Selbstverständnisses, und sie
fanden in Palladio, der durch seinen Mentor Trissino entscheidend geprägt
worden war, den kongenialen Architekten.
DIE
GEOMETRIE DER VILLA ROTONDA
In
seinen "Quattro libri" geht Palladio unter anderem auf die Villa
Rotonda ein. Vergleicht man die Maßangaben des Grundrisses mit denen des überkommenen
Baus, so lassen sich zum Teil deutliche Abweichungen feststellen. Bedenkt man
das Erscheinungsjahr der Schrift (1570) und den Baubeginn (1566), so ist es
wahrscheinlich, dass Palladio die Maße nachträglich geschönt hat, um die
aufgeführten Bauten als vorbildlich erscheinen zu lassen.
Halten
wir uns also an die im Buch angegebenen Maße. Für die großen Räume des
Hauptgeschosses gibt Palladio lichte Maße von 26 x 15 Fuß an, für die kleinen
15 x 11 Fuß. Vergleicht man deren rationes mit denen der "schönsten und
am besten proportionierten Zimmerarten" (Palladio), so nähern sie sich nur
sehr genau den idealen Proportionen an. Auch die Einbeziehung der Mauerstärken
führt nicht zu einer exakten Übereinstimmung.
Da
es kaum denkbar ist, dass Palladio in seinem anspruchsvollen Lehrbuch von den
eigenen Empfehlungen so deutlich abweicht, muss von einem Ordnungsprinzip
ausgegangen werden, dass quasi zwangsläufig zu den erwähnten Dimensionen der Räume
führt.
Vergegenwärtigen
wir uns die Struktur des Gesamtbaus: der richtungslose Zentralbau wird im
wesentlichen bestimmt vom quadratischen Grundriss des Hauptbaus und den zwei
sich rechtwinklig kreuzenden, fast identischen Achsen der mittig angelegten
Vorbauten. Palladio selbst geht auf die landschaftlichen Gegebenheiten des
Baugeländes ein und preist deren schöne Ausblicke in allen Richtungen. Um
diese genießen zu können, integrierte er die Loggien, die "zum Spazieren
gehen, zum Essen oder zu anderen Vergnügungen" dienen. Palladio
unterscheidet eher öffentliche und eher private Bereiche in den Wohnhäusern.
Der zentrale Raum ist der Hauptsaal des Hauses und dient zu "Festen,
Gastmahlen, zur Aufführung von Komödien, zu Hochzeiten und ähnlichen Vergnügungen",
stellt damit den wichtigsten öffentlichen Platz im Haus dar. Seine Erschließung
erfolgt axial über die breite und einladende Freitreppe, die zwischen Innen und
Außen vermittelnden Loggien und die schmalen Gänge. Bezieht man die umgebende
Landschaft ein, so wird die Raumempfindung und Bewegungsrichtung beim Betreten
des Hauses mehr und mehr fokussiert, bis sie sich im runden Saal wieder grandios
erweitert und richtungslos verwirbelt. In seinem Mittelpunkt kreuzen sich die
durchlaufenden Achsen, schaffen damit das unbestrittene Zentrum des gesamten
Baus.
Erschließt
man das Gebäude von diesem Punkt aus, so fügen sich alle Teile ausnahmslos und
logisch in eine umfassende Ordnung. Das grundlegende Problem, einen runden Raum
mit rechteckigen Räumen zu verbinden, löst Palladio mit dem Prinzip der "Vierung
über Ort": der Kreis des Hauptraums wird in ein Quadrat, das die äußeren
Begrenzungen des Baus aufnimmt, einbeschrieben, kombiniert damit die beiden schönsten
und elementarsten Raumformen.
Die
Dimension des umschriebenen Quadrats wird verdoppelt und führt, unter
Beibehaltung des Diagonalenschnittpunkts, zum großen Quadrat der Außenmauern.
Die beiden Achsen teilen dieses wiederum in vier Quadrate, die mit dem der
Vierung übereinstimmen. Dieses dient wiederum als Grundlage für die vier von
Freitreppen und Loggien gebildeten Vorbauten, bildet somit das Raster für den
gesamten Grundriss. Den verbleibenden Innenraum, der quasi einen Rahmen um die
zentrale Vierung schließt, wird durch die zum Zentralraum führende Gänge
axial durchschnitten. Die vier so entstandenen Raumwinkel werden durch
zueinander parallele Verlängerungen der Vierungsseiten in zwei ungleiche Räume
unterteilt, die, lässt man die Gänge und die Wandstärken außer Acht, Quadri
und Doppelquadri darstellen, also zwei Raumformen, die Palladio als idealschön
ansieht.
Das
ehemals ungegliederte Obergeschoss hat Palladios Grundkonzept bei der
Proportionierung in reinster Form veranschaulicht.
Der
Verdoppelung des Vierungsquadrats dürfte die Idee Platons von den idealen
Quadraten zugrunde gelegen haben: verbindet man die vier Seitenmitten eines
Quadrats, so erhält man ein um 45 Grad gedrehtes, in schöner Proportion
stehendes neues Quadrat. Dieses Verfahren erlaubt sowohl Vergrößerungen wie
Verkleinerungen, wobei die Diagonale des nächstgrößeren immer der doppelten
Kantenlänge des kleineren entspricht, die Flächen also verdoppelt oder
halbiert werden. Überträgt man Platons Idee auf die Villa Rotonda, so
markieren die gedrehten Quadrate innen wie außen die Durchdringungspunkt der
Raumachsen.
Auch
die Wandöffnungen, also die Fenster und Türen, folgen diesem Ordnungsprinzip.
Parallel zu den durchlaufenden Raumachsen bilden sie fast immer mittig angelegte
Fluchten, die den gesamten Bau durchziehen und immer wieder, zumindest bei geöffneten
Türen, Ausblicke auf die umgebende Landschaft ermöglichen. So wird mit dem
Betreten eines jeden der rechteckigen Räume zugleich ein Ausblick durch das
exakt gegenüberliegende Fenster ermöglicht. Die Fenster zu den Loggien sind
zwischen die Säulen eingemessen, nutzen also den freien Ausblick der
Interkolumnien. Die Lage der Türen erlaubt einen ungehinderten Umgang durch
alle rechteckigen Räume und variiert damit die kreisförmige Dynamik des
Zentralraums.